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Die schweizerischen Lektionen zeigen ein Bild variabler Unterrichtsgestaltung, sowohl in Bezug auf den Einsatz der Sozialformen als auch hinsichtlich der didaktischen Grobziele. Ähnlich wie in den Niederlanden kann auch in schweizerischen Lektionen beobachtet werden, dass die Konfrontation mit neuem Stoff auch anhand der Bearbeitung von Aufgabensets geschieht und nicht, wie in den meisten Ländern üblich, primär bei der Bearbeitung von Einzelproblemen. Wie in den meisten anderen Ländern mit Ausnahme Japans werden auch in den schweizerischen Lektionen mehrheitlich Aufgaben gelöst, die eine niedrige prozedurale Komplexität aufweisen.
Schweizerische Lektionen beginnen mehrheitlich mit der Wiederholung von früherem Stoff (73% der Lektionen). Die Beschäftigung mit früherem Stoff nimmt insgesamt 34% der Unterrichtszeit ein. Nach dem ersten Drittel der Lektionszeit rückt in den meisten Lektionen die Einführung von neuen Inhalten in den Vordergrund und geht dann zunehmend in das Üben und Anwenden der neu eingeführten Inhalte über, wobei die Erarbeitung neuer Inhalte bis zum Ende der Lektion möglich ist.
Aus Schweizer Sicht bemerkenswert ist die Tatsache, dass die in der Studie codierten Massnahmen, die zur Klarheit und Strukturiertheit des Unterrichts beitragen können, nicht sehr verbreitet sind. So wird in weniger als der Hälfte der Lektionen (43%) am Anfang das Ziel bekannt gegeben. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte am Ende der Lektion ist sehr selten zu beobachten (2% der Lektionen).
In der Regel beginnen schweizerische Lektionen mit Klassenunterricht und schliessen mit einer kurzen Klassenunterrichtsphase ab. So wird die Repetitionsphase am Anfang der Lektion vorzugsweise im Klassenunterricht durchgeführt. In der ersten Hälfte der Lektion findet sich vor allem Klassenunterricht und in der zweiten Hälfte vor allem selbständige Schülerarbeit, wobei allerdings auch in der ersten Hälfte in vielen Lektionen schon selbständige Schülerarbeit zu beobachten ist. Mit durchschnittlich 44% der Lektionszeit nimmt die selbständige Schülerarbeit in schweizerischen Lektionen einen relativ grossen Anteil an Unterrichtszeit ein, der nur von den niederländischen Lektionen übertroffen wird. Knapp drei Viertel der selbständigen Schülerarbeit werden in Einzelarbeit, 26% in Partner- oder Gruppenarbeit verbracht. Während der selbständigen Schülerarbeit beschäftigen sich die Schüler und Schülerinnen vorwiegend mit Aufgabensets.
Insgesamt wird in den schweizerischen Lektionen etwas mehr Zeit (53%) für die Arbeit an Aufgabensets als für die Bearbeitung von Einzelaufgaben investiert. Pro Lektion werden durchschnittlich 5 Einzelaufgaben gelöst. Ein interessantes Merkmal ist, dass auch bei der Einführung von neuem Stoff oft mit Aufgabensets und nicht mit Einzelaufgaben gearbeitet wird; eine Konstellation, die ausser in den schweizerischen nur noch in den niederländischen Lektionen beobachtet werden kann. Aus Schweizer Sicht muss dazu allerdings festgehalten werden, dass die Definition der Kategorie "Einführung von neuen Inhalten" sehr weit gefasst ist. Es ist nicht auszuschliessen, dass auch Sequenzen mit anspruchsvollen Übungs- und Anwendungsaufgaben in diese Kategorie gefallen sind. Eine andere Erklärung wäre, dass auch in der Schweiz, wie in den Niederlanden, die Schüler und Schülerinnen neuen Stoff teilweise selbständig anhand von Lehrtexten und Aufgaben erarbeiten. Weiter gehende Analysen sind notwendig und zur Zeit im Gange, um diese Frage zu klären.
Aufgabenanalysen zeigen, dass in den Schweizer Lektionen mehrheitlich (65%) wenig komplexe Aufgaben gelöst werden; 22% der Aufgaben sind von mittlerer und 12% von hoher prozeduraler Komplexität. 55% aller Aufgaben wurden als Anwendungsaufgaben eingeschätzt. Wie in den meisten anderen Ländern mit Ausnahme der Niederlande wird die Mehrzahl der gelösten Aufgaben (71%) in mathematisch-formaler Sprache präsentiert; 25% der Aufgaben weisen einen Alltagsbezug auf.
62% der selbständigen Schülerarbeit wird für repetitives Üben, 25% für anspruchsvollere Aktivitäten eingesetzt. Da die schweizerischen Lektionen in eine weiter gehende Analyse der Problemstellungen und Problembearbeitung bisher nicht einbezogen werden konnten, kann keine Aussage zum generellen Fokus der Aufgabenbearbeitung (Prozeduren einüben vs. Beziehungen zwischen Konzepten erkennen) gemacht werden.
Ergebnisse weiterführender Analysen der Zürcher Projektgruppe zum schweizerischen Unterricht werden an anderer Stelle berichtet.
Querverweis: Ergebnisse Schweiz