Navigation auf uzh.ch
Anders als in den übrigen Ländern wurden in Japan im Schuljahr 1999/2000 keine Daten erhoben. Die hier dargestellten Ergebnisse beruhen auf einer erneuten Analyse der Stichprobe von 50 Lektionen, die bereits für die Dreiländer-Video-Studie (TIMSS 1995 Video-Studie) videographiert und ausgewertet worden sind.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass in japanischen Lektionen die Einführung von neuen Inhalten den grössten Teil der Lektionszeit einnimmt, diese geschieht vorwiegend im Klassenunterricht und anhand von wenigen, thematisch zusammenhängenden Einzelaufgaben. Der Fokus liegt vor allem auf dem Erkennen von Beziehungen zwischen mathematischen Konzepten und Prozeduren.
Wie in den Lektionen von Hongkong macht die Wiederholung von früherem Stoff in den japanischen Lektionen mit 24% einen vergleichsweise kleinen Anteil der Unterrichtszeit aus. Trotzdem beginnen immerhin 73% der japanischen Lektionen mit einer kurzen Wiederholungssequenz. Nach durchschnittlich 20% der Unterrichtszeit ist aber die Einführung neuen Stoffs die zentrale Aktivität in den japanischen Lektionen, und diese kann bis zum Schluss der Lektionen dauern, obwohl in der zweiten Hälfte der Lektionen zunehmend auch Zeit für das Üben und Anwenden des neuen Stoffs aufgewendet wird. Mit 60% der gesamten Unterrichtszeit nimmt die Einführung von neuen Inhalten jedoch den grössten zeitlichen Anteil der didaktischen Grobziele ein (gegenüber 16% Üben und Anwenden der neu eingeführten Inhalte). 95% aller japanischen Lektionen enthalten eine Einführungssequenz.
Japanische Lektionen werden zum grösseren Teil (63% der Lektionszeit) im Klassenunterricht durchgeführt. Charakteristisch für japanische Lektionen ist der häufige Wechsel zwischen Klassenunterricht und Einzelarbeit: Im Durchschnitt ist dies 8-mal pro Lektion der Fall. Dies ist häufiger als in allen anderen Ländern mit Ausnahme Tschechiens.
Der grösste Teil japanischer Lektionen (64%) ist mit der Bearbeitung einiger weniger Einzelprobleme ausgefüllt, mit denen sich die Klasse entsprechend deutlich länger als die Klassen aller anderen Länder, nämlich durchschnittlich je 15 Minuten, beschäftigt. 94% der japanischen Lektionen fokussieren auf ein einziges Thema.
Aufgabenanalysen zeigen, dass der überwiegende Teil der Aufgaben mathematisch-formal gestellt wird (89%); mit nur 9% aller Aufgaben finden sich in japanischen Lektionen im Vergleich zu den meisten anderen Ländern deutlich weniger Aufgaben, die einen Alltagsbezug haben. Weiter gehende Aufgabenanalysen zeigen ferner, dass im Unterschied zu den anderen Ländern der Fokus bei der Aufgabenbearbeitung mehrheitlich auf dem Erkennen von Beziehungen und weniger auf dem Einüben von Prozeduren liegt.
Charakteristisch für japanische Lektionen ist ferner ein vergleichsweise hoher Anteil an Aufgaben (17%), zu denen unterschiedliche Lösungswege präsentiert und diskutiert werden, sowie an Aufgaben, bei denen die Lernenden explizit zur Generierung von eigenen Lösungen aufgefordert werden. Bei 27% der Aufgaben präsentiert die Lehrperson im Lösungsverlauf eine Zusammenfassung der wesentlichen Schritte. Dies ist häufiger als in allen anderen Ländern.
Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass in japanischen Lektionen Aufgaben mit höherem Anspruchsniveau im Sinne der prozeduralen Komplexität bearbeitet werden: 17% der Aufgaben weisen ein tiefes, 45% ein mittleres und 39% ein hohes Komplexitätsniveau auf. Dabei spielt die Tatsache, dass es sich bei den japanischen Lektionen zum überwiegenden Teil um Geometrielektionen handelt, eine untergeordnete Rolle: Auch wenn von allen Ländern nur die Geometrielektionen in den Vergleich einbezogen werden, bleiben die Unterschiede zu Japan im Wesentlichen bestehen.