Dauer: August 2012 bis August 2013
Während in Deutschland in fast allen
Bundesländern das Zentralabitur eingeführt worden ist, um einheitliche
Anforderungen und Beurteilungen in den Abiturprüfungen zu erreichen, gibt es in
Gymnasien der Schweiz Entwicklungen, dass Lehrpersonen im gymnasialen
Unterricht und teilweise am Ende des Gymnasiums Prüfungen zusammen entwerfen
und/oder diese nach gemeinsam festgelegten Kriterien korrigieren und bewerten.
Ziele des sogenannten Gemeinsamen Prüfens
sind eine stärkere Verbindlichkeit gemeinsamer Anforderungen in den
durchgeführten Prüfungen, eine bessere Vergleichbarkeit der Noten und eine
Professionalisierung der Lehrpersonen. Die Umsetzung des Gemeinsamen Prüfens in den verschiedenen Schulen unterscheidet sich
aber beträchtlich, so z.B. in Abhängigkeit des Faches, des Einführungsmodus
(top-down vs. bottom-up) oder hinsichtlich
der eingebundenen Akteure (einzelne Lehrpersonen, ganze Fachschaften, mehrere
Kantone). Empirische Untersuchungen zur Frage, wie effektiv diese Verfahren in
Bezug auf die Zielerreichung sind, fehlen aber vollständig.
In
dieser Forschungsstudie sollen einzelne spezifische Konfigurationen des
‚Gemeinsamen Prüfens‘ (= Fall) vertieft untersucht und einander gegenüber
gestellt werden. Dazu werden die einzelnen Fälle zum einen für sich alleine
untersucht. Zum anderen werden über einen Fallvergleich Chancen und Grenzen der
einzelnen Konfigurationen herausgearbeitet und erste Schlussfolgerungen für
eine Umsetzung in der Praxis gezogen. Diese Analysen sind nicht geleitet
von der Idee, dass es eine alleinige Form des Gemeinsamen Prüfens gibt, die
besonders funktional ist (best practice).
Die Annahme ist vielmehr, dass die verschiedenen Formen ihre je eigenen Vor-
und Nachteile besitzen, die identifiziert werden können und die im Hinblick auf
die verschiedenen Ziele, die mit dem Gemeinsamen Prüfen verfolgt werden, zu
gewichten sind. Folgende vier Fragebereiche wurden fokussiert:
- Bestandsaufnahme:
In
diesem Fragebereich geht es darum, das angewandte Verfahren in der jeweiligen
Schule zunächst in seiner Oberflächenstruktur zu verstehen.Beispielsweise:Welche Verfahrensmerkmale und Verfahrensansprüche werden beim Gemeinsamen
Prüfen angewandt? Welche zentralen Akteure können identifiziert werden? Wie
viele Lehrpersonen sind in der Schule involviert? In welchem Ausmass, mit
welchen Funktionen und Aufgaben sind diese in die Verfahren einbezogen?
Hinsichtlich welcher Aspekte gibt es Absprachen? Wie verbindlich sind diese
Absprachen? Wie häufig werden die jeweiligen Formen Gemeinsamen Prüfens
umgesetzt?
- Implementierungsanalyse:
In
diesem Fragebereich steht die Frage der Implementierung des Gemeinsamen Prüfens
in der Schule im Zentrum. Zum einen geht es darum zu verstehen, wie die
konkrete Form in der Schule eingeführt worden ist, welche Faktoren das erfolgreiche
Verankern des Gemeinsamen Prüfens in der Schule unterstützt haben, welche
Schwierigkeiten sich ergeben haben, wie ihnen mit welchem Erfolg begegnet
worden ist. Zum anderen interessiert, inwiefern es aus Sicht der Akteure
gelingen kann, Verfahren des Gemeinsamen Prüfens bei den Lehrpersonen und in
den Schulen nachhaltig zu verankern, welche Professionalisierungsverfahren
sich dazu besonders eignen oder welche Unterstützung die Schulen und die
Akteure benötigen.
- Prozessanalyse:
In
diesem Fragebereich wird die Tiefenstruktur des Gemeinsamen Prüfens
ausgelotet. Im Zentrum stehen die handelnden Akteure, allen voran die
Schulleitungen, Lehrpersonen und Schüler/-innen. Ihre Aussagen sollen
Aufschluss darüber geben, wie das Gemeinsame Prüfen in der Schule bzw.
schulübergreifend verankert ist, wie es in den Schulen umgesetzt wird, auf
welche Schwierigkeiten die beteiligten Lehrpersonen stoßen, welche Faktoren und
Prozesse das Gemeinsame Prüfen und auch die Abstimmung der Beurteilung erfolgreich
werden lassen. Es wird davon ausgegangen, dass die Perspektiven der
Schulleitungen, Lehrpersonen und Schüler/-innen je unterschiedliche Aspekte des
Gemeinsamen Prüfens erhellen können.
- Wirkungsanalyse:
In
diesem Fragebereich stehen die wahrgenommenen Wirkungen der realisierten Form
Gemeinsamen Prüfens auf Unterricht, Beurteilungsprozesse, Lernerfolg im
Gymnasium und Professionalisierung der Lehrpersonen im Zentrum. Im Rahmen
dieser Pilotstudie wird die Frage der Wirkungen aus der Perspektive der beteiligten
Akteure erfasst. Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach den intendierten,
sondern auch jene nach nicht-intendierten Wirkungen (beispielsweise eine
mögliche Verengung der unterrichteten Inhalte auf die Themen des Gemeinsamen
Prüfens, eine allfällige Über-/Unterforderung der Schüler/-innen, emotionale
und motivationale Belastungen der Lehrpersonen).
Datengrundlage für
die Bearbeitung der Fragestellungen sind 15 Fokusgruppengespräche mit je 5-6
Lehrpersonen in vier Gymnasien der Deutschschweiz (Kt. Bern, Kt.
Basel-Landschaft, Kt. St. Gallen, Kt. Luzern). Die Daten werden mittels
strukturierender Inhaltsanalyse (Mayring, 2008) fallspezifisch und
fallübergreifend ausgewertet. Die Erhebungen wurden zwischen September 2012 und
Februar 2013 durchgeführt. Im Juni 2013 wurden die ersten Ergebnisse auf einem
Workshop präsentiert, an dem Vertreter/innen der Schulen sowie der wbz - Schweizerische Zentralstelle
für die Weiterbildung der Mittelschullehrpersonen teilgenommen haben.
Vertiefende Analysen werden in einer geplanten Monographie in 2014 publiziert.