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Institut für Erziehungswissenschaft

Exklusive Peerbeziehungen im Jugendalter - ein mehrdimensionaler Blick auf jugendliche Freundschaften (Arbeitstitel)

1.    Ausgangslage
Den Peer- und Freundschaftsbeziehungen im Jugendalter wird im Fachdiskurs grosse Relevanz zugesprochen. Es wird konstatiert, dass mit dem Eintritt in die Adoleszenz eine Veränderung der sozialen Beziehungen einhergeht. Peer- und Freundschaftsbeziehungen Jugendlicher gelten dabei als wichtige Sozialisationskontexte, die bedeutsam für die soziale, kognitive und emotionale Entwicklung sind. Gleichzeitig dienen sie als Übungsfeld für soziale Verhaltensweisen und Experimentierraum für die Verhandlung von Normen und Werten. Obwohl jugendliche Peerbeziehungen in den letzten Jahrzehnten zunehmend in Fokus sozialwissenschaftlicher Forschung gerückt sind, sind zu jugendlichen Freundschaftsbeziehungen nur vereinzelt Studien zu finden. So wurde zwar unter anderem auch unter ethnographischem Fokus zu Freundschaftsbeziehungen und deren Inszenierung geforscht, vorwiegend jedoch im Kontext der Schule oder mit einem Fokus auf Geschlechterunterscheidungen. Insgesamt fehlt es an qualitativen Untersuchungen, die den ausserschulischen Kontext in Blick nehmen und unterschiedliche Dimensionen von Freundschaften sowie die Entwicklung von sozialen Beziehungen im Längsschnitt erfassen.


2.    Erkenntnisinteresse und Fragestellungen
Das Promotionsvorhaben (Diese Dissertation ist eingebettet in das vom SNF finanziert Forschungsprojekt „Peerspezifische Sozialisationsprozesse im Jungendalter“ unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Rieker und Mitarbeit von Dr. Silke Jakob) nimmt sich diesem Forschungsdesiderat an und greift die Thematik auf, indem das soziale Phänomen Freundschaft innerhalb jugendlicher Peerbeziehungen in einer qualitativen Längsschnittuntersuchung mittels Methodentriangulation erforscht wird. Dabei interessieren zum einen die sozialen Praktiken, die für freundschaftliche und exklusive Beziehungen konstitutiv sind. Zum anderen interessieren die subjektiven Sichtweisen der Jugendlichen in Hinblick auf die Bedeutung ihrer Freundschaftsbeziehungen. Des Weiteren liegt der Fokus auf den Entwicklungsverläufen der Freundschaftsbeziehungen sowie deren subjektive Beurteilung. Daraus lassen sich folgende zentrale Fragestellungen ableiten:

  • Wie werden Freundschaftspraktiken in situ hergestellt, verhandelt und gestaltet?
  • Wie erfahren und erleben die Jugendlichen subjektiv ihre Freundschaftsbeziehungen und welche Bedeutung schreiben sie ihnen zu?
  • Wie entstehen, enden und verändern sich Freundschaftsbeziehungskonstellationen im Laufe der Zeit?

3.    Method(olog)ische und theoretisch analytische Perspektiven
Die Promotionsarbeit bearbeitet die Fragestellungen mittels einer multiperspektivischen Untersuchung. Sie orientiert sich dabei sowohl an praxeologischen Ansätzen, die sich auf soziale Praktiken beziehen, als auch an einem sozialkonstruktivistischen Verständnis, das subjektive Bedeutungsdimensionen der beteiligten Jugendlichen erschliesst. Demzufolge ist die Kombination methodischer Zugänge einerseits auf die Beobachtung und Rekonstruktion sozialer Praktiken, andererseits auf das Erfragen und die Rekonstruktion subjektiver Perspektiven gerichtet.
Aus theoretisch analytischer Perspektive wird den Jugendlichen eine aktive Rolle bei der Gestaltung und Herstellung von Freundschaftsbeziehungen zugeschrieben. Freundschaft wird als soziale Praxis verstanden, im Sinne einer dynamischen, wechselseitigen Bezugnahme mit individuellen und kollektiven Gestaltungsmöglichkeiten, die auch von strukturellen Verhältnissen und Differenzkategorien geprägt sind. Aus diesem dynamischen Wechselverhältnis resultieren unterschiedliche Beziehungspraktiken, welche während teilnehmenden Beobachtungssequenzen seitens der Forscherin dokumentiert und durch die befragten Jugendlichen reflektiert werden und im Jugendalter eine Entwicklung durchlaufen.
Hinsichtlich dem der Arbeit vorliegenden Freundschaftsverständnis wird Freundschaft als soziales Phänomen, also als eigene soziale Wirklichkeit, Ordnung und eigenes soziale Sinngebilde verstanden. Definiert wird Freundschaft als relationaler Begriff, als ein umstrittenes, normatives, konstruiertes Etikett für Beziehungen unterschiedlicher Art.


4.    Datenerhebung und -analyse
Für die Bearbeitung der Fragestellungen wurden unterschiedliche empirische Daten, wie ethnographische Beobachtungsprotokolle, qualitative Interviews und persönlichen Netzwerkkarten über mehrere Zeiträume erhoben. Der Untersuchungsgegenstand für dieses Dissertationsvorhaben bildet dabei eine Gruppe von 12 – 13-jährigen Mädchen, die während der ersten Erhebungsphase seit mehreren Jahren einmal wöchentlich in ihrer Schülerband probten. Die Forscherin begleitete die Mädchenband über mehrere Monate und fertigte insgesamt neun Feldprotokolle ihrer Beobachtungen an. Darüber hinaus wurden zum Ende der ersten Feldphase im Sommer 2018 mit drei Mädchen ein Interview geführt sowie persönliche Netzwerkarten zu ihren sozialen Beziehungen gezeichnet. Im Sommer 2020 und Frühjahr 2021 während der zweiten Erhebungsphase wurden drei Mädchen der Band nochmals zu einem Interview eingeladen sowie persönliche Netzwerkkarten angefertigt.
Um dieses Forschungsfragen analytisch bearbeiten zu können, bedarf es eines explorativen Ansatzes, der offen für ein prozessorientiertes Freundschaftsverständnis ist. Methodologisch orientiert sich demzufolge das Vorhaben an der Grounded Theory.

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